Der Pflichtteilsberechtigte hat neben seinem Auskunftsanspruch gegen den Erben regelmäßig auch einen Anspruch auf Ermittlung und Mitteilung der zum Nachlass gehörenden Gegenstände. Dies ist in der Rechtsprechung unstreitig. Streitig ist dagegen, wann eine Ausnahme hiervon besteht.
Das LG Bonn hatte sich in seinem Urteil vom 11.08.2015 (Az. 8 S 5/15) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Wertermittlungsanspruch zu einer zum Nachlass gehörenden Immobilie auch gegeben ist, wenn diese in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zum Erbfall veräußert wurde und der Wert quasi durch den Kaufpreiserlös bekannt ist.
Durch den BGH wurde wiederholt bestätigt (zuletzt mit Beschluss vom 25.11.2010, Az. IV ZR 124/09), dass sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert worden sind, an deren Kaufpreis orientieren muss, wenn nicht außergewöhnliche Verhältnisse vorliegen, die ein Abweichen rechtfertigen.
Der Erbe hatte sich in dem durch das LG Bonn zu entscheidenden Fall auf die Rechtsprechung des BGH gestützt und war der Ansicht, dass damit ein Wertermittlungsanspruch betreffend einer zum Nachlass gehörenden Immobilie entfallen sei, da der Wert durch den Kaufpreis letztlich feststehe.
Das LG Bonn hat sich dieser Ansicht nicht angeschlossen und den Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten dennoch bejaht.
Ein Rechtschutzbedürfnis sei auch dann sinnvoll, wenn der Kaufpreis bekannt ist. Nach Ansicht des LG Bonn „diene (der Wertermittlungsanspruch) auch der Einschätzung zu der Frage, ob der tatsächlich erzielte Kaufpreis dem Verkaufswert entspricht oder ob besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten (OLG Frankfurt a. a. O.). Auch die Kammer folgt dieser Ansicht, zu der im Ergebnis auch das OLG Köln tendiert (OLG Köln, Urteil vom 10.01.2014, Az: OLGKOELN Aktenzeichen 1U5613 1 U 56/13, zitiert nach juris). Der Wertermittlungsanspruch soll dazu dienen, dem Pflichtteilsberechtigten überhaupt erst die Kenntnisse zu verschaffen, auf Grundlage derer er sodann gegebenenfalls seiner Darlegungspflicht dahingehend nachkommen kann, dass und weshalb der Verkaufserlös nicht dem Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalles entspricht.“
Der Kaufpreisbestimmung wurde im vorliegenden Fall lediglich eine durch einen Makler gefertigte Expertise/Bewertung zugrunde gelegt. Für Erben, die sich Pflichtteilsansprüchen gegenüber sehen, kann daher die Einholung einer sachverständigen Wertermittlung bereits vor der Veräußerung zu empfehlen sein, rät Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht Frederick Pitz.