Übertragung einer Wohnung gegen Pflegeversprechen – Schenkung oder Gegenleistung?

Übertragung einer Wohnung gegen Pflegeversprechen – Schenkung oder Gegenleistung?

Eine unentgeltliche oder teilunentgeltliche Übertragung einer Wohnung liegt nicht bereits dann vor, wenn im Übergabevertrag keine ausdrückliche Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an der Wohnung genannt ist. Es ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Vertragsparteien bei Übertragung gewollt haben.

Die Kosten für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses sind bei der Berechnung des Pflichtteils als Verbindlichkeit zu berücksichtigen.

(Leitsätze des Autors)

Das Landgericht Mannheim (Urteil vom 23.06.2015, Az: 8 O 32/14) hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen:

Die Parteien streiten um Pflichtteil- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Klägerin ist die Ehe und sind die Abkömmlinge des Erblassers. Beklagte ist die Lebensgefährtin des Erblassers.
Der Erblasser hatte sich vor 18 Jahren von seiner Ehefrau getrennt, bis zu seinem Ableben die Ehescheidung aber nicht beantragt.
Seit der Trennung unterhielt der Erblasser eine Beziehung zu seiner Lebensgefährtin.

Der Erblasser war an Multiple Sklerose erkrankt. Die Lebensgefährtin hatte den Erblasser über Jahre hinweg gepflegt.
Der Erblasser hat seine Lebensgefährtin als gewillkürte Alleinerbin bedacht und die in seinem Alleineigentum stehende Wohnung etwa 4 Monate vor seinem Ableben an seine Lebensgefährtin übertragen. Der Übertragungsvertrag enthielt eine Pflegeklausel.

Die Ehefrau und die Abkömmlinge des Erblassers wandten sich gegen die Beklagte und forderten ihren Pflichtteilsanspruch sowie hinsichtlich der noch zu Lebzeiten übertragenen Immobilie ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Sie stützten ihre Rechtsansicht darauf, dass der Übertragungsvertrag nicht ausdrücklich die Entgeltlichkeit des Pflegeversprechens bestimme, insbesondere die bereits geleisteten und künftigen Pflegeleistungen nicht als „Gegenleistung“ oder „Vergütung“ bestimmt waren. Es handle sich nach Ansicht der Klägerinnen um eine belohnende Schenkung.

Das Gericht kam mit seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass eine ausgleichspflichtige Schenkung nicht vorliege. Zwar sei eine ausdrückliche Regelung, nach der die Übergabe entgeltlich gegen ein Pflegeversprechen übertragen sei, so nicht ausdrücklich im notariellen Übergabevertrag enthalten, diese Regelung sei jedoch der Auslegung zugänglich.
Der Übergabevertrag unter Verwandten oder sich nahe stehenden Personen ist für die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Zuwendung unter Berücksichtigung aller Umstände, ihrer Vorgeschichte und der Interessenlagen der Parteien auszulegen.