Der BGH hat sich mit seiner Entscheidung vom 19.01.2011 (Az. IV ZR 7/10) erneut mit dem Pflichtteilsverzicht eines Sozialleistungsbeziehers (hier: eine Lernbehinderte bezog Wiedereingliederungshilfen) und der Frage zur Wirksamkeit eines sog. Behindertentestaments befasst.
Der BGH bestätigt, dass der Pflichtteilsverzicht eines Sozialleistungsempfängers grundsätzlich nicht sittenwidrig ist. Der Verzichtende gibt lediglich eine Erwerbschance auf, eine konkrete Rechtsposition besteht zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der BGH erteilt damit der überwiegend in der Literatur vertretenen Rechtsansicht, der Pflichtteilsverzicht sei unzulässig, eine Absage.
Der Pflichtteilsverzicht ist nach Ansicht des BGH von der Privatautonomie gedeckt und zwingende Reaktionsmöglich des potentiellen Erben selbst entscheiden zu dürfen, von wem und ob er etwas erben möchte.
Der Pflichtteilsverzicht ist die rechtliche Möglichkeit des potentiellen Erben dem Vonselbsterwerbs zu begegnen.
Das Recht zum Pflichtteilsverzicht folgt danach aus der „negativen Erbfreiheit“, die sich als Gegenstück aus der im Grundgesetz verankerten Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) ergibt.
Weiter bestätigt der BGH mit seiner Entscheidung, dass auch der nicht kompensierte Pflichtteilsverzicht, also der Verzicht, bei dem der Verzichtende gegen Gegenleistung (Abfindung) erhält, grundsätzlich von der Privatautonomie getragen wird und nicht per se sittenwidrig ist.
Der BGH bestätigt weiter die Zulässigkeit eines Behindertentestaments.
Beim Behindertentestament (richtiger: Testament zu Gunsten Behinderter) wird aufgrund einer Verflechtung von Anordnung der Vor- / Nacherbfolge, Einsetzung auf unterschiedliche Erbquoten und Anordnung der Testamentsvollstreckung verhindert, dass der Sozialhilfeträger auf das Erbe zugreifen kann und dem Sozialhilfebezieher sein Leistungsrecht kürzt.
Aufgrund dieser Gestaltung soll dem behinderten Leistungsempfänger durch Zuwendungen eines „Mehrs“ ein besseres wirtschaftliches Einkommen ermöglicht werden, da die Versorgungskosten weiter vom Sozialhilfeträger getragen werden und nicht aus dem Erbe zu entrichten sind.
Leitmotiv ist, was der BGH auch in dieser Entscheidung betont, das altruistische Motiv des Erblassers, dem Hilfebedürftigen etwas zukommen lassen zu wollen und nicht eine Bedürftigkeit, die Voraussetzung des Sozialhilfeanspruchs ist, erst zu schaffen.